Stadt Kimar

Lysiell runzelte die Stirn.
Einen Schüler ausbilden? Daran hatte sie noch nie zuvor auch nur einen Gedanken verwendet. Sie hatte sich viel zu sehr auf ihr eigenes Studium konzentriert, um jemals zu denken, sie könnte ihr Wissen jemand Anderen anders als durch ein Buch vermitteln. Aber vielleicht...
"Und deine Eltern, Sorda? Ich bin auf Reisen, ich könnte dir also nur noch etwas beibringen, solange ich hier bin... oder hast du mir vielleicht doch etwas verschwiegen, hm?" Ihr vorwurfsvoller Blick glitt zu einem Rucksack. Vielleicht unterstellte sie ihm damit ja etwas, aber ein so großer Rucksack, der randvoll mit Dingen gefüllt zu sein schien, die man zum Reisen braucht, machten sie einfach viel zu stutzig.

Er musste sich in der Hinsicht geschlagen geben,
"Ich bin selbst erst bei Sonnenaufgang in Kimar angekommen, und..".
Nach einer kurzen Pause, Sorda seufzte
"Und meine Eltern sind irgendwo, wieder glücklich vereint..".
Ohne wirklich darüber nachzudenken, blickt er geradewegs nach oben, an den Blättern vorbei zu den Wolken.
Ein tiefer Atemzug und er wendete sich wieder Lysiell zu,
mit einem leicht gekippten Kopf, startte er in ihre Augen und wartete ihre Reaktion ab.
Es war ihm ernst mit der Magie, zwar hatte er noch keinen blassen Schimmer,
wie er alles erklären würde, aber soweit sollte es erstmal kommen.

Sie war ziemlich schlecht in solchen Dingen. Als Magierin kannte sie die Etikette, aber durch ihre gesamte Kindheit und ihren Lehrmeister war sie in den tiefergehenden sozialen Verbindungen nie wirklich eingedrungen.
Unbeholfen lächelte sie mitleidig und wuschelte sacht durch seine Haare.
"Tut mir leid, Sorda..." war alles, was sie vorerst heraus brachte. Dann wollte sie ihn umarmen, hatte aber das Gefühl, dass dieser Junge keine Umarmung benötigte. Einige Momente schwieg sie noch, bevor sie tief Luft holte.
"Möchtest du mich begleiten? Ich nehme dich zu meinem Schüler, aber ich sage dir gleich, dass ich als Lehrerin nicht minder streng sein werde, als man es bei mir war... und es wird wahrscheinlich anstrengend, wird werden viel Reisen und vielleicht wird es auch gefährlich... bist du dir also sicher?"
Sie war besorgt. Besorgt, ob sie denn wirklich für ein Kind sorgen könnte, besorgt wegen ihrer Gabe und vorallem besorgt, ob sie wirklich im stande dazu war, jemanden zu unterrichten. Aber das Talent in diesem Jungen hatte sie an sich selbst erinnert und ihr fielen so viele Dinge dabei ein, die sie gerne besser machen würde, als sie sie erlebt hatte.

Die Augen weiteten sich, ob er sich sicher war?
Man könnte meinen, dass er sich weniger sicher war, ob das wirklich gerade real ist.
Ohne weiter darüber nachzudenken, stimmte er direkt zu, "Natürlich!.. oh ehm, es wäre mir eine große Freude!".
Zum ersten mal wirkte er wie ein normales Kind,
seine Augen strahlten und ein glückliches Grinsen vor lauter Vorfreude machte sich im ganzen Gesicht breit.
Ohne Zweifel ein Tag, an den er sich noch lange erinnern wird.
Die Euphorie war längst noch nicht gewichen und man spürte den Tatendrang in dem Kleinen,
"Machen wir weiter ? oder gehen wir wieder in die Stadt, oder bringt ihr mir was anderes bei?".
Wahrscheinlich würde ihn nichtmal eine Ladung Wasser "abkühlen".

Der Junge, den Azoth fest an der Schulter gepackt habe, blickte panisch der Halbelfe hinterher, als diese plötzlich wegrannte. Angstvoll blickte er zu dem finster dreinblickenden Alchemisten hoch, wollte sich losreißen, aber dieser hielt in mit eiserner Hand fest.
"Gehen wir, Junge."

"Diese Federn und der Schmuck.. was hat das zu bedeuten?"

Die junge Frau interessierte sich ungewohnt stark für Tyee. Zhaine hatte bisher eher die Erfahrung gemacht,
dass die Menschen, auf die er traf, ängstlich zurückwichen oder ihn unfreundlich vertrieben. Aber diese Person
war anders, selbstsicher und neugierig. Der Wolf lief nun immer wieder interessiert zwischen den beiden hin
und her, schmiegte sich mal hier und mal da an.

"Die Federn sind ehrlich gesagt von mir...", erzählte er verlegen lachend. "Damals, als ich noch ein kleiner Junge
war, beschloss ich, ihm etwas zu schenken dafür, dass er mich beschützte. Aber alles, was ich fand, war eine
wunderschöne lange Feder auf dem Hof. Von da an suchte ich ihm jedes Jahr eine ebenso schöne. Mittlerweile sind es 9."

Wieso erzählte er ihr dies eigentlich alles? Noch nie hatte er jemandem von seiner Vergangenheit erzählt.
Er kannte sie gerade erst wenige Minuten und dennoch strahlte sie eine solche Vertrautheit aus, wie er es
seit damals nicht mehr fühlte.

"Diese Goldringe hier..." Er beugte sich hinunter und strich darüber. "...gehörten auch mal meinem Mentor.
Sie sind ein Andenken..." Nachdenklich richtete Zhaine sich wieder auf und schüttelte kurz seinen Kopf.
"Wie kamt Ihr..eh du eigentlich so einfach auf den Baum? Das scheint für dich ja völlig normal zu sein.", fragte er schnell ablenkend.

"Wie heißt du eigentlich?"

Die Frau schien dauerhaft zu lächeln, als wär sie die Güte in Person. "Zhaine...mein Name ist Zhaine Leandor."
Er hielt den rechten Arm vor seine Brust und verbeugte sich leicht.

'Moment...', wunderte er sich plötzlich, 'sagte sie gerade etwas von elfischer Herkunft? Sie ist eine Elfe?'
Dies würde zumindest erklären, warum sie trotz ihres jungen Aussehens soviel Wissen hatte. Alles was
er von Elfen wusste, hatte er in wenigen Büchern gelesen. Sie sollten eine schöne Gestalt haben und
sehr mit der Natur verbunden sein. Ausserdem hätten sie unverkennbar spitze Ohren.

'Spitze Ohren...?' Kurzerhand beugte er sich zu ihr und fasste ihr ungeniert an die Ohren, um dies zu
überprüfen. Doch was er fühlte war rund, wie bei einem Menschen. Er schaute die überraschte Frau
wieder genau an. "Habe ich etwas übersehen?", murmelte er in sich hinein. "Wieso... hast du keine spitzen
Ohren...?" Von Taktgefühl hatte er noch nicht viel gehört.

Was eine Ladung Wasser nicht geschafft hätte, erreichte ein mulmiges gefühl,
das ihn schlagartig ruhig stimmte.
Gerade als er noch versucht eine erklärung dafür zu finden, ertönt ein angsteinflößendes Brüllen.
Doch es blieb nicht nur bei einem, es kamen mehr und mehr, begleitet von dem tiefen Klang des Horns der Stadt Kimar.
Sorda begann schneller zu atmen und flüsterte, "Wir müssen hier weg!", und griff nach Lysiells Hand.

Das brauchte er ihr gar nicht zu sagen.
Sie ergriff seine Hand, mit der Anderen zog sie die Robe etwas hinauf, bevor sie los rannte, zurück in Richtung Stadt.
Wir haben nicht viel Zeit, bis die Tore geschlossen sind...! dachte sie sich, keinen Moment verschwendete sie, um zurück zu blicken. Sie war viel zu sehr darauf konzentriert, Wurzeln auszuweichen und sich einen Weg durch das Unterholz zu suchen und Sordas Hand dabei nicht loszulassen. Sie hatten nicht mehr viel Zeit.
Die Erleichtung die Stadtmauern erreicht zu haben wich dem puren Entsetzen. Dieses Tor war bereits geschlossen. Ob genug Zeit blieb, zu den anderen zu laufen, wusste sie nicht. Sie stoppte abrupt und sah sich suchend um.

Es fiel ihm nicht gerade schwer, mit Lysiell's Tempo mitzuhalten.
Immer wieder schaut Sorda hinter sich, das Brüllen kam immer näher,
doch noch war nichts zu sehen.
Als die Beiden vor dem verschlossenem Tor stehen blieben, kam dem Kleinem keine bessere Idee als laut loszuschreien.
"AUFMACHEN !! LASST UNS REIN, AUFMACHEN!".

Sie sah immer noch suchend umher, anstatt in seine Rufe einzustimmen. Es hatte keinen Zweck, die Wachen bemerkten sie vielleicht, doch sie reagierten nicht darauf. Jeden Moment konnten die Angreifer kommen und ein geöffnetes Tor wäre der größte Fehler, den man beim Verteidigen einer Stadt begehen konnte. Zwei Opfer waren besser als eine ganze Stadt. Lysiell zog Sorda weiter die Mauer entlang, bis sie an einer Stelle stehen blieb, an der keine Wachen in der Nähe waren.
Sie ging in die Knie, die Augen geschlossen und beide Hände auf Sordas Schultern legend. Sie murmelte etwas vor sich hin, hob ihre Hände kurz und ließ sie wieder sinken, während sie mit ihrer Stirn sacht die Seine berührte.
"Pass auf dich auf, ja?" hauchte sie sacht, bevor sie ihn hochhob, als würde er keinen Hauch wiegen. Schnell blickte sie sich noch einmal um, bevor sie ihn wie einen kleinen Stein hinauf auf die Mauer warf. Wie eine Feder landete er sanft auf den Zinnen.

In der Stadt war Mittlerweite Chaos ausgebrochen, jeder der eine Behausung hatte rannte dorthin und verschloss alles was man verschließen konnte. Die Händler packen ihre teuersten wahren ein und rannten weg.
Nur eins auf dem Marktplatz bewegte sich kaum, nicht weit vom Stand eines Alchemisten entfernt, Ragnar der ein Bier trank.
Er schlenderte rüber zu einem gegenüberliegenden Zwergenschmiede Stand.
Ragnar:"Nun Fetter habt ihr eine Höhle oder an einen Gang in der Schmiede?"
Der Zwergenschmied schaute Ragnar zweifelnd an.
"Woher.. ja.. ich meine... Ach Verdammt, ja aber bitte sagt das nicht weiter. Die Höhle führt einige hundert Meter außerhalb der Stadt."
Ragnar nickte und ging wieder zu seinem Fass goss sich ein neues Bier ein und trank dies gemütlich
°Wo bleibt der Alchemist... die wachen sind weg, alles hat Panik, etwas schlimmes wird passieren das fühle ich.°
Ragnar ging an seinen Rucksack, nahm dort einen kleinen ledernen Beutel heraus und Zwei Steine.
Er setzte sich auf das Fass, verstaute den Lederbeutel in seinem Brustpanzer und fing an mit einem Stein seine Axt zu schärfen.

Kleider und Haare schwebten ebenfalls, als wäre es Wasser anstatt Luft um sie herum.
Aber warum springt sie nicht gleich mit?
Auf der Mauer gelandet, schoss es ihm wie ein Lichtblitz durch den Kopf.
°.."Pass auf dich auf, ja?"..°
Verzweifelt hielt er ausschau nach einer Art Seil, nach irgendetwas, mit dem er Lysiell helfen könnte.
Nichts.. Sorda beugt sich über die Mauer, die hilfslosigkeit stand ihm praktisch ins Gesicht geschrieben.
"..Lysiell?!", Das Brüllen kam näher, viel Zeit kann sie nichtmehr haben.

Stillschweigend hatte er zugesehen, wie der Alchemist sich den Jungen zu Brust nahm um schließlich gemeinsam zum Adligenviertel zu gehen, als sich nur einen Augenblick zuvor auch diese Magierin, zusammen mit dem Burschen aus den Staub machten,.. von der Elfe ganz zu schweigen.
Es war seltsam.. unter dieser ganzen Masse an Menschen, blieb sein Blick wahrlich nur auf diese wenigen Wesen haften - Was er allerdings vom Zwerg halten sollte, wusste er noch nicht so recht. Zumindest war dieser.. Nein, er war genauso aufbrausend auffällig wie alle anderen Zwerge es auch waren.

Auf der Stelle wendend, blickte er nackdenklich durch die Masse vorbei, direkt ins Leere. Was hatte es mit diesem eigenartigen Gefühl auf sich..? Jenes, welches er schon kurz zuvor gespürt hatte?
Und dann zog der Wind auf.. - Für den Augenblick, so schien es zumindest, war der Wind lauter als die komplette Stadt selbst,... oder täuschte er sich da nur?
Wie aus der Trance gerissen, drehte Isaac sich in die Richtung aus der das Horn ertönte - Er hatte sich also doch nicht geirrt; diese Stadt sollte wahrhaftig vom Unheil heimgesucht werden!

Doch anstatt Furcht und Panik sein Herz umklammern zu lassen, atmete er einmal ruhig durch, als er die aufsteigende Hysterie unter den Menschen beobachtete. Überall liefen sie nun umher; stießen aneinander, übereinander und überhaupt drohte alles im Chaos zu versinken. .. Ja selbst die Stadtwachen machten einen unsicheren Eindruck.
Unter dem scheppernden Geräusch von umherlaufenden Rüstungen, verschwand der Taktiker beinnahe lautlos in der Masse..

Das erfrischende Lachen der Halbelfe wurde jäh durch ein verschrecktes Knurren von Tyee unterbrochen.
Seine Nackenhaare stellten sich auf, als er sich bedrohlich aufrichtete und die Zähne fletschte.
"Tyee, was ist mit..."
Noch ehe Zhaine seinen Satz beenden konnte, schoss dicht neben ihnen etwas großes aus dem
Boden. Eine scheinbar riesige Kralle, vollkommen bedeckt von Schleim, zuckte bedrohlich in ihre
Richtung. "Vorsicht, geh zurück!" Etwas unsanft drängte er die Halbelfe hinter
sich, um sie zu schützen. Entschlossen zückte er seinen Stab und rammte ihn vor sich in den
Boden. Die Flügel am oberen Ende begannen zu leuchten und ließen die Kralle für einen Moment
zurückweichen.

Ein schauerliches Brüllen drang tiefer aus dem Wald zu ihnen, das selbst den Wolf winseln ließ.
"Wir müssen hier sofort weg!" Zhaine griff nach der Hand der Halbelfe und schnappte sich mit der
anderen seinen Stab zurück. Er drückte ihn dicht an sich, murmelte leise einige Worte und stieß ihn
dann nach vorn. Eine helle Barriere blitzte vor der Kralle auf, gegen die sie immer wieder stieß,
um sie zu durchdringen.

"Los Tyee, zeig uns einen sicheren Weg!" Der Wolf wetzte los in Richtung der Stadt. Zhaine folgte ihm
und zog seine Begleiterin mit sich.

Als sie sah, wie Sorda noch immer auf der Mauer saß und nicht losrannte, wurde sie verunsichert. Das Kind musste fort, ganz schnell und so weit weg wie möglich, dann hatte er vielleicht auch eine Chance.
"Sorda, ich sagte, verschwinde! Ich komme nach, du bist mir hier aber keine Hilfe, lauf!" rief sie ihm zu, ihre Stimme wankte etwas, aber sie bemühte sich, die Beherrschung zu behalten.

Die Halbelfe war schnell - zu schnell für Zhaine. Sie löste sich von seiner Hand und vergrößerte mühelos den Abstand zwischen ihnen, bis sie mit dem Wolf auf einer Höhe war. Zhaine bekam Schwierigkeiten, mit den beiden so lange mitzuhalten und fürchtete schon, zurückzubleiben.

Ein Stampfen wie von aberzähligen Füßen...oder Pfoten näherte sich immer mehr von hinten. Eine unbekannte Macht wütete durch den Wald, als wollte etwas sie verfolgen. Er drehte sich nicht um und die Angst gab ihm neue Kraft. 'Da, der Waldesrand!' Er konnte die lichten Bäume nicht weit vor sich erkennen. Nur noch wenige Meter und er hätte es geschafft.
Eine Wurzel ragte zu weit aus der Erde, sein Fuß verfing sich und er rutschte unsanft ein Stück über den Boden. 'Verdammt...' Schnell rappelte er sich wieder auf und schleppte sich das letzte Stück aus dem Wald.

Die beiden anderen waren schon fast am Ende der Wiese vor der Stadt angelangt und hielten nun inne, um sich nach ihm umzusehen. Zhaine nahm seine Restenergien zusammen und rannte weiter in ihre Richtung. Er drehte sich nun doch um und sah, wie einige der Baumkronen geschüttelt und teilweise niedergerissen wurden. Schnell wandte er seinen Blick wieder nach vorn. 'Wo sind sie hin...?'
Plötzlich verlor er den Boden unter den Füßen und purzelte geradewegs den Hügel hinunter, auf dem er am Anfang des Tages noch entspannt gesessen hatte. "Oh man...schon wieder so eine unsanfte Landung..."

Er öffnete blinzelnd seine Augen und eine feuchte Nase schnüffelte an seinem Gesicht und leckte ihm schließlich über die Wange. "Ach hier seid ihr..." Ächzend richtete er sich wieder auf und blickte auf die Stadtmauer vor ihnen. Die Tore waren fest verschlossen und keine Wache wartete davor, um Einlass zu gewähren.

Rasch beugte Fynn sich zu Zhaine runter, nahm seine Hand und zog ihn weider hoch.
"Komm, wir haben keine Zeit zu verlieren." meinte sie schließlich in einem ruhigen Ton.

Sie wandte ihren Blick auf das verschlossene Tor. 'So wird das nichts' dachte sie sich und suchte nach einem großen Baum der in der Nähe der Stadtmauern stand. Weniger Meter neben den beiden stand die riesige Eiche auf der sie vor nicht zu langer Zeit schon mal gesessen hatte.
"Kannst du klettern?" fragte sie und deutete auf den riesigen Baum.
Sie wartete gar nicht auf seine Antwort, rannte schon zur Eiche und sprang in die ersten Äste hinein.
So schnell sie bei der Eiche war, so schnell war sie auch gar nicht mehr zu sehen.

Fynn streckte ihre Hand aus den Blättern und wartete auf die seine.
"Komm schon." ertönte ihre Stimme aus den Blättern des Baumes. "Der Wolf kommt schon klar, er wird dich finden."

Die kleine Halbelfin hoffte darauf das wenn sie ganz oben auf der Eiche sitzen würde, irgendwie über die Stadtmauern springen könnte. Vielleicht hatte Zhaine ja auch ein Seil bei sich?
Irgendwas musste ihr einfallen.

"Der Wolf kommt schon klar, er wird dich finden."

Zhaine beugte sich hinunter zu Tyee und kraulte ihm liebevoll den Kopf. "Du musst jetzt für den Moment erstmal allein einen sicheren Platz finden... das schaffst du wahrscheinlich einfacher als ich." Vorsichtig zog er ihm eine der Federn aus dem Fell und steckte sie sich an den Gürtel. "Die geb ich dir zurück, wenn wir uns wiedersehen. Und jetzt lauf, such ein gutes Versteck!" Zielstrebig rannte der Wolf los, immer dicht an der Stadtmauer entlang, als hätte er schon ein Ziel im Auge.

Zhaine lief nun auch zu der großen Eiche, auf die die Halbelfe geklettert war. "Da rauf? Gar kein Problem. Aber Moment...nicht mit diesen Schuhen.", rief er hinauf, zog sich seine für das Klettern eher ungünstigen Schuhe aus und warf sie kurzerhand mit Schwung über die Stadtmauer. 'Die find' ich schon wieder.'
Er griff sich seinen Stab und klemmte ihn zwischen die am leichtesten erreichbare Astgabel. Mit einem kleinen Anlauf schwang er sich auf den untersten Ast und zog sich hoch. Er zappelte dabei wild mit den Beinen, als würde es dies leichter machen. Keuchend schaffte er es schließlich, sich auf diesen ersten Ast zu stellen und klammerte sich etwas ängstlich an den Stamm. "Möglicherweise ist das doch nicht so problemlos, wie ich dachte...", gab er verlegen zu.

Er schaute suchend nach oben. Die Halbelfe war immernoch einige Meter weiter oben und hockte dort, als wär es fester Boden. Zhaine hatte Glück; es gab von hier an genug starke Äste, dass er nach oben gelangen könnte. Er nahm den Stab zurück und kraxelte mit leicht zittrigen Beinen bis zu dem Ast, der auf der selben Höhe wie die Stadtmauer lag. Es waren noch gut drei Meter zwischen ihnen und der Mauer - auf dieser Höhe mindestens zwei Meter zuviel für Zhaine. Für die Halbelfe wäre das sicher kein großes Kunststück mit ihrer Gewandheit.

Sie sah ihn fragend an. Traute sie es sich etwa auch nicht zu? Aber was konnte er tun? Ein paar Kräuter wären hier sicher keine große Hilfe. Verzweifelt blickte er sich vom Baum um. Aber wer sollte sich jetzt noch außerhalb aufhalten und die Macht haben, zu helfen? Er hielt sich wieder krampfhaft am Baum fest, um nicht hinunterzufallen. Aber es machte keinen großen Unterschied, ob er nun dort hinunterstürzte oder auf das wartete, was sich erbarmungslos näherte.

"Wir sind verloren..."

Angst, Panik, Verzweiflung? Von allem ein bisschen steht in Sordas Gesicht geschrieben.
Hastig springt sein Blick immerwieder von seiner Linken zur Rechten, irgendwas muss er doch übersehen haben.
Es war Hoffnungslos, nichts - aber auch rein garnichts war in der nähe, mitdem Sorda eine Hilfe für Lysiell wäre.
Er gab sich geschlagen, und wartete nun darauf, welche Richtung sie einschlagen würde.
Wer weiß, vielleicht könnte er an einer anderen Stelle der Stadtmauer etwas für Lysiell tun.
"DANN LAUFT LOS!" rief er zurück.

"Ja, ich suche einen Weg, aber jetzt RUNTER VON DER MAUER, Sorda! Das ist eine Anweisung deiner Meisterin, los!" schrie sie und setzte sich dann in Bewegung. Während sie die Mauer entlang eilte, versuchte sie abzuschätzen, ob es eine Möglichkeit für sie gab, hinüber zu gelangen. Doch egal wie sehr sie sich suchend umsah, sie fand keine Lösung und ihr blieb nicht mehr viel Zeit. Doch sie eilte weiter.